Man darf nicht vergessen, dass Sri Lanka bis 1961 britische Kronkolonie war, und die Amtssprache bis ebendann war - englisch. Nach Übernahme durch die Banderanaike-Regierung wurde ein Teil der Bevölkerung sprachlich entmündigt, indem man englisch als 2te Amtssprache beließ, sich aber des tamilischen zumindest in Schulen und Ämtern entledigte. Soweit zur offiziellen Version.
Langsam - wie alles auf Sri Lanka - begann sich ein zwischensprachliches Gedanken- und Wortgut zu entwickeln, dass man als singhlisch bezeichnen muß. Das "lisch" hierbei steht für den Anteil des englischen Sprachguts in singhlisch, der die Sprache endgültig vor dem Absturz bewahrt.
Singhlisch ist eine Philosophie, eine Lebenskunst, eine Ausdrucksweise und ein Gefühl, dass man nur hier entwickeln kann. Einer der würdigsten Vertreter des Singhlischen ist Jayantha, seines Zeichens Facility-Manager im Yellow Elefant Riverside. Der generellen Aufforderung, bitte morgens unaufgefordert Moskito-Spiralen unter den Tisch zu stellen (Frühstück ohne Gäste ist besser) wird stets nachgekommen, nachdem man morgens eben doch gestochen wurde, und nochmals anmahnt. (Kommentar seitens des Mitarbeiters J: "Pah. Minimistake". Gleichbedeutend mit: "Entschuldigen Sie bitte meine kleine Vergeßlichkeit, es wird nicht wieder vorkommen").
Mitarbeiterseits versichert man sich auch gerne eingehaltener Pausenzeiten, sprich: man wüßte gerne, wann Gäste das Haus verlassen und wieviel Zeit für eine Siesta bleibt. Das hört sich dann so an: "More coming back ?" Gleichbedeutend mit: "Entschuldigen Sie, darf ich fragen, wie lange Sie ausbleiben, damit ich anschließend sofort wieder zur Verfügung stehen darf?!. „You eat here ?“ - steht klassischerweise für „Was darf ich zum Dinner zubereiten ?" „Laundry yes ?“ für „Darf ich vielleicht entsprechende Wäsche der Reinigung zukommen lassen ?“ und ein karges „Have Money?“ drückt den Unwillen aus, monetär in Vorleistung gehen zu wollen.
Interessant ist auch die generelle Einstellung zu ungewohnter Küche. Eine Art Spaghetti ohne italienische Zutaten (Spaghetti wohl, aber kein Parmesan & kein Basilikum, Hackfleisch ohnehin nicht) wird im Schnelldurchgang erklärt und von J. wohlwollend aufgenommen. Anstelle gewohnter Ingredienzien treten Palmöl, jede Menge Knoblauch, Chilli und viel Zwiebeln, Tomaten, Reismehl und Milch (aus Milchpulver). Alles in allem eben eine singhalesische Variante, schmack-und nahrhaft, aber: nach abgeschlossener Saucen-Präparation ertönt ein lautes Krachen aus der Küche. Nicht bedacht wurde beim Erklären der Rezeptur zu erwähnen, dass die Spaghetti unbeschadet in kochendes Wasser wandern sollten. Ein erneutes Krachen und deutliche Worte „Haraka“ (wortwörtlich: KUH) alarmiert mögliche Zuhörer.
Ein kurzer Blick in die Küche bestätigt übelste Vermutungen. Die Hartweizengriess-Spaghetti für 4 EUR a 500g wurden soeben geschlachtet. Nachdem J. versucht, die geschlossene Packung mit schierer Muskelkraft dreizuteilen (schwer), wurde die Tischkantenvariante gewählt: Nudeln aus der Verpackung nehmen, kräftig mit beiden Händen umspannen und durch gezielte Schläge auf die Tischkante Hartweizen samt Grieß gleichmäßig in einer Art Sperrfeuer in der Küche verteilen. Auf die Frage, warum denn dieses Prozedere notwendig sei, da man Spaghetti ja eigentlich im Ganzen rollt und nicht vorher zerschnetzelt, gibt es denn folgerichtig nur eine Antwort: „Noodles cannot eat like this. Complication.” Armes Italien.
Fakt ist: Jayantha ist ein exorbitant loyaler Mitarbeiter, kümmert sich rührend um Gäste, liefert Bed-tea (Bett-Tee) um 06.00 vor dem Aufstehen und kocht bürgerlich-singhlisch schmackhaft. Alle Ecken in seiner Gegenwart blitzen und blinken (kleine Finger, kommt beim Putzen auch in Ecken) und man weint, wenn man wieder nach Hause fliegen muss. Er ist kein bißchen ungefällig, unhöflich oder störend. Ein dezenter und liebevoller Hausgeist par excellence und man sollte obige Passagen nicht 100% ernst nehmen, aber: er denkt anders und spricht anders. Und wenn man das versteht, versteht man Sri Lanka. Singhlisch für Anfänger. Eine Lektion, die zu lernen Spaß macht.